Im Rausch der Tiefe

Klettertour
Berchtesgadener Alpen
930 Hm
Alpawand
1671 m

Bruno ist an der Alpawand bereits »Bühler«, »Holländer« und »Heaven« geklettert, ich habe »Wasser« und »Genuss« schon gemacht. Diese Kongruenz erschwert die Auswahl eines gemeinsamen Ziels. Der »Rausch« soll es schließlich werden.

Wir haben keine Hoffung, das Rennen um die besten Startplätze gegen die Wettbewerber mit kürzerer Anreise zu gewinnen und treffen uns erst um 06:30 Uhr. Als wir den Parkplatz um 08:20 Uhr erreichen, ist er schon voll besetzt mit Autos aus nah und fern. Trotzdem erreichen wir den Einstieg gegen 09:30 Uhr noch ohne Seilschaft in unserer Tour. Um 10:00 Uhr steige ich ein.

1. SL, 6 (Topoguide: 7-), Daniel: Es geht gar nicht so leicht los und auch die Hakenabstände erscheinen mir als üppig. Ich bin noch kalt und etwas zittrig. Der Fels ist sehr rau und teilweise mit ein bisschen Belag versehen. Nach ein paar Metern gewöhne ich mich langsam daran, mich festzuhalten und komme besser rein. Dabei muss ich aber schon an zwei Stellen mal kurz schütteln. Der Stand auf einer kleinen Rampe ist bequem. Schon hier läuft die nachfolgende Seilschaft auf uns auf. Diese Rosenheimer Langschläfer sind eingetroffen, während ich in der ersten Länge beschäftigt war und haben Bruno mit der unfreundlichen Ansage begrüsst, wir müssten sie dann aber schon überholen lassen.

2. SL, 6+ (7), Bruno: Sehr schöne Wandkletterei.

3. SL, 5 (6-), Daniel: Ziemlich lange Linksquerung mit einem Haken zu Beginn und einem am Ende. Danach etwas unübersichtlich aufwärts und dann weit nach rechts zurück, wo ich den Stand nicht gleich finde, da ich anfangs bereits zu hoch bin. Hier lassen wir die nachfolgenden Drängler überholen, was ewig dauert, da sie nicht sofort nachkommen und auch nicht so besonders schnell sind. Während der Vorsteiger sich in der vierten Länge abmüht, übt sich seine Partnerin im Namedropping (»Gestern mit dem Fritz gesprochen, der gerade eine neue Tour eingebohrt hat«, »die Gerlinde und der Ralf«). Irgendwann wird auch der eigentlich sehr bequeme Stand unbequem und mir kalt.

4. SL, 6+ (8-), Bruno: Die Piaz-Schuppe ist nass, die Tritte teilweise auch. Bruno gelingt trotzdem ein sauberer Durchstieg. Auch im Nachstieg komme ich gut an der Schuppe vorbei, hole mir danach aber noch einen ziemlichen Pump, als ich mich übereilt in Bedrängnis bringe.

5. SL, 6 (6+), Daniel: Wieder schöne Wandkletterei, wobei teilweise auch die linke Verschneidungsschuppe genutzt werden kann. Ich fühle mich aber etwas unsicher und spüre bereits meine Füße und Waden. Die Hakenabstände sind wieder etwas großzügiger. In der Mitte der Seillänge kleben Erde und Gras am Fels, offenbar von herablaufendem Wasser dort hingespült. Wegen der extremen Rauheit des Felses stört das aber nicht weiter. Wieder ein sehr bequemer Stand. Dort ziehe ich meine Schuhe aus und lasse sie im Vertrauen auf meine neu installierten Fangleinen auf das Gras purzeln. Der eine Schuh rollt munter davon, bleibt dann jedoch liegen. Ein Knoten ist aufgegangen. Glück muss man auch mal haben.

6. SL, 7- (7-), Bruno: Kurze und nicht übermäßig schwierige Plattenstelle, dann ein botanisches Finale.

7. SL, 8- (8), Daniel: Am ersten Haken bin ich vermutlich etwas zu weit rechts, komme in schwere Bedrängnis und stürze schließlich. Zur Rettung des roten Punkts starte ich noch einmal von unten, diesmal etwas weiter links. Ich klippe den zweiten Haken, muss dann aber pausieren. Es ist schwer, vor allem die Füße sind das Problem. Bruno kommt im Nachstieg sauber durch.

8. SL, 6+ (7+/8-), Bruno: Ich klettere mit meinem langen Shirt, erreiche dabei aber die Sonne und beginne zu schwitzen. Mir fällt die Länge nicht leicht.

9. SL, 7 (7+), Daniel: Am Anfang geht's noch. Zum Ende der Seillänge tue ich mir sehr schwer. An einer Stelle muss ich einen Verzweiflungsschnapper zu einem Griff machen, der sich glücklicherweise als der erhoffte Henkel erweist. Mir kommt das schwieriger als 7 vor.

10. SL, 7+ (8-/8), Bruno: Eine sehr schöne Länge. Bruno stürzt einmal, ich komme ohne Pause durch.

11. SL, 7+ (7+/8-), Daniel: Die Seillänge ist schön und nicht so schwer wie vorher befürchtet. Es läuft eigentlich gut und ich habe das Gefühl, wieder besser zu klettern. Doch dann werde ich plötzlich nervös und greife beim Klippen an die Schlinge. Jetzt ist es eh schon wurscht und ich kann mich auch kurz ins Seil setzen. Wahrscheinlich wäre das auch ohne gegangen.

12. SL, 6+ (7-), Bruno: Zuerst einige Meter eine schöne Piazschuppe, danach plätschert es so dahin.

13. SL, 7- (7), Daniel: Ich klettere sehr verkrampft los und tue mich schwer, obwohl es objektiv wohl einfach ist. Am schwersten fällt mir der Übergang von der Querung in die Wand. Die folgende Wand ist aber leicht. Die Hakenabstände sind auch wieder ziviler. Zum Abschluss gibt's noch einen Hängestand.

14. SL, 5 (5), Bruno: Nur mehr Formsache. Eine umgekippte Lärche liegt absturzgefährdet in der Rinne. Wir umgehen sie vorsichtig.

Um 18:57 Uhr sind wir beide am Ausstieg. Schön war's. Die Arme und Finger sind gar nicht so erschöpft und auch die Haut bereitet noch keine Probleme, aber die Füße sind echt bedient. Sommerliche Temperaturen, eine plattige Tour und Schuhe in Sportklettergröße (03) haben ihren Tribut gefordert.

Auch wenn das an den Bewertungen der einzelnen Seillängen nicht unmittelbar abzulesen ist, war diese Tour schon ein merkliches Stück anspruchsvoller als alle anderen uns bekannten Routen an der Alpawand. Die oben in Klammern angegebenen Bewertungen aus dem Topoguide-Führer sind nicht abwegig. In der siebten und der elften Seillänge hat es bei mir nicht zur Rotpunktbegehung gereicht. So etwas verdirbt mir die Freude über die schöne Unternehmung leider oft mehr als es sollte.

Der Abstieg bis zur Alpaalm ist schön wie jedes Mal. Danach zieht es sich heute etwas. Gegen neun Uhr sind wir zurück am Auto, wo Bruno zwei Biere für uns im Bach deponiert hat.