Umleitung zum Glücklichsein
Der vom Klettervirus befallene Bruder will eine Mehrseillängentour unternehmen. Wir wählen die »Umleitung zum Glücklichsein«, die ich schon lange im ToDo-Ordner habe. In diesem Teil des Wettersteins war ich noch nie unterwegs. Es ist heute zwar nicht so heiß, dass man unbedingt an einer Nordwand klettern müsste, aber wir hoffen, dass es warm genug und trocken sein wird. So ist es dann auch. Mit dünner Jacke ist die Temperatur angenehm und nach der zweiten Seillänge sind auch die Finger ausreichend warm. Im oberen Bereich scheint ab und zu die Sonne von vorne ins Gesicht, was bei mir zusammen mit Zu- und Abstieg bereits für einen leichten Sonnenbrand reicht.
Wir treffen uns um 07:00 Uhr am Luise-Kisselbach-Platz. Noch herrscht wenig Verkehr und so können wir nach einiger Materialsortiererei bereits um 08:30 Uhr vom Parkplatz am Eibsee abmarschieren. Wir folgen einer flotten Gruppe über die Riffel-Skipiste recht steil hinauf, bis wir nach einer guten Stunde die Station Riffelriss erreichen, wo eine Ladung Touristen gerade Selfies mit Eibsee aufnimmt. Der weitere Weg bis zum Einstieg dauert noch einmal gute 50 Minuten und ist recht leicht zu finden. An der zu überquerenden Rippe sollte man nicht zu hoch aufsteigen. Am besten lässt sie sich auf etwa halber Höhe überschreiten.
Ich fühle mich nach mehreren Nächten mit wenig Schlaf äußerst schlecht und überlege während des Zustiegs bereits, ob wir überhaupt einsteigen sollen. Aber probieren kann man es ja einmal und nach trödeligem Aufrödeln startet Benjamin um Punkt 11:00 Uhr in die erste Seillänge. Mein Befinden bessert sich dann im Tagesverlauf und es läuft eigentlich ganz okay.
Die Felsqualität ist nicht durchgehend makellos, besonders die siebte Seillänge ist etwas brüchig. Auch sonst liegt einiger Schutt herum, so dass sich Steinschlag nicht immer sicher vermeiden lässt und beispielsweise auch schon beim Einholen des Seils ausgelöst werden kann. Es empfiehlt sich daher eher nicht, einzusteigen, wenn schon eine andere Seilschaft in der Tour unterwegs ist. Wir sind heute alleine. Das noch recht spärlich gefüllte Wandbuch lässt vermuten, dass die Tour ohnehin nicht allzu häufig beklettert wird.
1. SL, 30 m, 4+, Benjamin: Bis zum zweiten Haken ausgeprägte Bodensturzgefahr, aber nicht schwer.
2. SL, 40 m, 6+, Daniel: Leichtes Gelände mit zwei gutgriffigen Steilstufen. Trotz kalter Hände kein Problem. An der zweiten Stufe hängt sogar eine Schlinge herunter, um eine A0-Möglichkeit anzubieten.
3. SL, 35 m, 5+, Benjamin: Links in die Wasserrille, wo es überraschend leicht hoch geht. Oben wird eine steilere Stufe an einer Schuppe überwunden. Nett, aber noch immer nicht sehr anspruchsvoll.
4. SL, 40 m, 7-, Daniel: Eine Tropflochplatte. Schön und für mich auch schwieriger.
5. SL, 35 m, 7-, Daniel: Steile und gutgriffige Kletterei, etwas kraftig. Entspricht aber gut dem, was ein Hallenkletterer wie ich trainiert.
6. SL, 42 m, 5+, Benjamin: Ohne größere Schwierigkeiten bis zum Fuß der die Wand dominierenden Riesenplatte.
7. SL, 40 m, 5, Daniel: Nun sind wir zwar an der Riesenplatte angekommen, klettern aber zunächst in einer brüchigen Rinne, die den unteren Teil der Platte durchzieht. Kurz vor dem Erreichen des die Platte schräg von rechts unten nach links oben durchziehenden Bruchgrabens wird nach rechts in diese gewechselt. Dort findet sich auch noch ein Zwischenhaken.
8. SL, 30 m, 7+, Daniel: Nun geht es wirklich durch die Platte und zwar entlang eines sehr schmalen Streifens mit Tropflöchern. Ich habe angesichts der nicht allzu hohen Schwierigkeiten in dieser Route und in Erwartung von Reibungskletterei meine übergroßen Bequemlatschen mitgebracht. Hier wären nun aber enge und steife Schuhe angebrachter, um gut auf den kleinen Noppen und Zacken stehen zu können. Für die Hände bietet sich nicht viel. So kommt bei mir etwas Nervosität auf und etwa in der Mitte des schweren Teils mache ich einen Abflug. Da es nun eh schon wurscht ist, setze ich mich anschließend auch noch zweimal ins Seil. Die Lasche des letzten Hakens fehlt, so dass sich ein gewisser Runout im allerdings nicht allzu schweren Gelände ergibt.
9. SL, 45 m, 5+, Benjamin: Wir sind noch immer in der Riesenplatte. Die vielen Löcher und Risse sieht man erst aus der Nähe. Sie erlauben ein komfortables Fortkommen.
10. SL, 45 m, 6, Daniel: Der Rest des Berges oberhalb der Platte bietet noch einmal eine sehr schöne und abwechslungsreiche Seillänge.
11. SL, 30 m, 1-2, Benjamin: Erst rechts einen schrofigen Graben hoch, dann halb links ein letztes kleines Wandl hinauf zum Stand.
Die Tour endet praktisch unmittelbar am Weg zur Riffelscharte und sofort kommt auch eine Gruppe filmender Russen angekeucht. Wenige Meter oberhalb kann noch das Gipfelchen des Riffeltorkopfs besucht werden, das sich zwischen den Riffelspitzen und den Riffelwandspitzen allerdings sehr bescheiden ausnimmt. Der Ausblick ist trotzdem gut, leider aber durch Wolken an der Zugspitze getrübt.
Der Abstieg ist prima und geht schnell. Ein versicherter Steig führt einige Höhenmeter steil hinab zur Schuttreisse, auf der wir dann knapp 500 Höhenmeter rasant in perfektem Schuttreissenfirn abfahren können. Das geht so schnell, dass man fast schon einen Druckausgleich machen muss. Auch der restliche Abstieg zum Auto zieht sich nicht allzu sehr und um 18:30 Uhr sind wir zurück. Die Heimfahrt dauert wegen vieler Staus leider 02:30 Stunden.
Etwa 1300 Höhenmeter.