Strada del sole
Kletterei mit Benjamin. Schöne Tour ohne viel Leerlauf, auch wenn die schwierigsten Abschnitte ziemlich punktuell auftreten. Die von uns gewählte Abstiegsvariante ist allerdings eine Zumutung und nicht empfehlenswert.
Das Wetter hält nicht, was die Vorhersage versprochen hat. Morgens hängen die Berge in dicken Wolken, deren Obergrenze höher als der Einstieg der Tour liegt. Als sich der Nebel gegen Mittag endlich lichtet, ist die Sonne bereits aus der Wand verschwunden. So ist es den ganzen Tag ziemlich kühl. Die meiste Zeit klettere ich mit zwei Jacken übereinander, was die Beweglichkeit deutlich einschränkt.
Wir treffen uns um 07:00 Uhr und fahren bei reichlich Verkehr zum Ausgangspunkt an der Triebenbachstraße. Dort starten wir um 08:45 Uhr. An der Halsalm ist wegen des Nebels von der Wand nichts zu sehen. So finden wir auch den weiteren Zustiegsweg zunächst nicht und müssen GPS und Online-Karte zurate ziehen.
Gegen 10:10 Uhr erreichen wir den Einstieg, wo sich bereits eine andere Seilschaft herrichtet. Sie wollen aber die CJD klettern, die mit unserer Tour nur die ersten beiden Längen teilt. Sie steigen einige Meter rechts des Schildes »Via CJD« ein, wo ich dann auch folge. Am ersten Stand zeigt sich aber, dass die richtige erste Seillänge wohl ein paar Meter weiter links verläuft und hier eine neue Tour entsteht, die jedoch bislang offenbar kurz oberhalb des ersten Stands endet.
Die dritte Seillänge beginnt mit einer plattigen Linksquerung, die vom Stand machbar aussieht, mich im noch völlig unaufgewärmten Zustand dann aber vor Probleme stellt. Da ich den ganzen Tag von Nervosität hinsichtlich der Zeitplanung geplagt bin, habe ich auch keine Muße, lange nach einer Lösung zu suchen. So mache ich einen Zug A0 und ärgere mich dann darüber. In der sechsten Seillänge ist es dann eh schon egal. Als es an einer Stelle plötzlich unerwartet schwierig wird und ich mit meiner Daunenjacke dauernd an den scharfen Tropflochdornen hängen bleibe, setze ich mich kurz ins Seil. Der Rest der Kletterei geht frei und onsight. Die siebte und die achte Seillänge hänge ich zusammen, ohne die Sicherungen ausreichend zu verlängern, was erwartbar so starken Seilzug zur Folge hat, dass ich den Stand kaum noch erreiche. Benjamin steigt die fünfte und die elfte Seillänge vor.
Nach etwa 05:15 Stunden erreichen wir den letzten Stand. Die Beschreibung nennt nun zwei Abstiegsmöglichkeiten: Abseilen über die Abseilpiste der CJD oder Absteigen über den Gerstfeldsteig. Da wir finden, dass zu einer Bergtour ein Gipfel unverzichtbar dazugehört, ist sofortiges Abseilen keine Option. Ohnehin finde ich die Vorstellung, über eine unbekannte Abseilstrecke abzuseilen, nicht sehr attraktiv, erst recht nicht im mittlerweile wieder aufgekommenen Nebel. Allerdings hat sich meine Vorbereitung auf die andere Abstiegsvariante im Vorfeld auf einen Blick auf eine Online-Karte beschränkt. Dort war zu erkennen, dass an der Grathöhe ein Weg in Richtung Nordost und dann hinunter zum Ausgangspunkt verläuft. Dass das nicht der Gerstfeldsteig ist, wird mir erst später klar. Eine nachträgliche Recherche zeigt, dass dieser vom Ende der Tour einem breiten Band ist westliche Richtung direkt durch die Wand folgt. Ohne vorherige Rekognoszierung zumindest von der Halsalm ist dieser Weg vermutlich nicht zu empfehlen. Der Gipfel entgeht einem dabei ebenfalls. Dafür dürfte diese Variante wesentlich kürzer sein als die von uns gewählte.
Wir steigen über problemloses Schrofengelände zur Grathöhe auf und finden dort Wegspuren, die bald auch markiert sind. Ihnen folgen wir unerwartet weit und langwierig über die wenig ausgeprägten Gipfel von Hohem Gerstfeld, Schottmalhorn und Edelweißlahnerkopf. Dort müssen wir den weiteren Wegverlauf im Kraxelgelände eine Weile suchen. Kurz hinter dem felsigen Gipfelaufbau findet sich dann in den Latschen der Einstieg zum Weg hinab zum Antonigraben.
Dieser rot-weiß-rot markierte Weg ist ausgesprochen mühsam und anspruchsvoll. Steilste Stufen wechseln sich ab mit endlosen Querungen, die einen Abbruch nach dem anderen umgehen. Es nimmt kein Ende. Der Weg stresst Benjamin und ich stresse ihn zusätzlich. Schließlich müssen wir sogar noch die Stirnlampen auspacken. Erst mehr als drei Stunden nach Erreichen des letzten Standplatzes sind wir zurück am Auto.
Mit allen Gegenanstiegen des Abstiegs etwa 1320 Höhenmeter.