FamGni
Nach einer angenehmen Nacht am Hündelerparkplatz reisen Bruno und ich zur zweiten Station unserer Schweiz-Exkursion. Unterwegs stocken wir noch unsere Lebensmittel- und Wasservorräte auf und erledigen den Abwasch.
Das rauere Ambiente am oberhalb der Baumgrenze gelegenen Furkapass bietet einen deutlichen Kontrast zur lieblichen Einsamkeit des Gruscher Älpli. Der Parkplatz ist äußerst gut besucht, nicht nur von durchreisenden Automobilisten, sondern vor allem von Übernachtungsgästen. Das wilde Campieren wird hier nämlich geduldet, mit all seinen hinter jedem Felsen sichtbaren Begleiterscheinungen.
Wir marschieren bald nach der Ankunft los in Richtung Hannibalturm, denn wir wollen heute noch klettern. Zum Einstieg haben wir uns die Route »FamGni« ausgesucht, laut Topoguide die beste Route am Turm. Um 14:30 Uhr legen wir los.
1. SL, VI, Daniel: Die erste Seillänge meiner ersten MSL im Granit. Es geht recht leicht los. An einer eher offenen Piaz-Schuppe muss ich mich aber schon für einen oder zwei Züge etwas bemühen. Übungshalber lege ich kurz unterhalb eines Hakens mal einen Friend. Danach vergesse ich das wieder und lege keinen weiteren mehr. Die Hakenabstände erfordern keine zusätzlichen Sicherungen.
2. SL, VII-, Bruno: Gar nicht so einfache Verschneidung, dann durch einen kleinen Überhang aus der Verschneidung hinaus. Bruno versteigt sich etwas.
3. SL, VI+, Daniel: Megagute Seillänge. Erst eine Verschneidung, dann ein henkeliger, supergroßgriffiger Aufschwung. Riesige Schuppen. Ein einziger Genuss. So etwas wollte ich immer schon einmal klettern. Oben etwas unübersichtlich, da diverse Touren nebeneinander und übereinander verlaufen. Überall sind Haken, ich orientiere mich an den Plättchen. Am Stand eine ziemliche Party. Der nächste Stand links ist 50 cm entfernt, nach rechts sind es zwei Meter.
4. SL, VIII+, Bruno: Bruno arbeitet sich heldenhaft hoch. Es darf wohl auch geklemmt werden, aber so richtig kapieren wir nicht, wie man hier fachgerecht klettert. Im Nachstieg schaffe ich ein paar Klemmzüge, unterstützt wohl auch durch etwas Zug von oben. In einer heimischen 8+ im Kalk kann ich die Einzelzüge in der Regel auf Anhieb klettern. Davon bin ich hier weit entfernt. Oben raus ist es auch noch einmal schwer, wir finden die richtige Beta auf die Schnelle nicht. Wahrscheinlich sind Untergriffe die Lösung. Am nächsten Tag beobachten wir von weiter unten eine junge Schweizer Seilschaft, deren Vorsteigerin mit Leichtigkeit durch die Länge cruist. Das geht also.
5. SL, V-, Daniel: Eigentlich nur noch Gewurschtel.
Um 17:30 Uhr erreichen wir die am Gipfel aufgebaute Haltestelle mit Bank. Wir haben sie für uns allein, was erfreulich ist, nachdem der Turm zu Beginn noch bevölkert war wie Thalkirchen zum Feierabend.
Es herrscht in den Karten- und Führerwerken Uneinigkeit, ob dieser Turm »Hannibal« oder »Hanibal« heißt. Da der karthagische Feldherr und sämtliche anderen Namensträger sich mit Doppelkonsonant schreiben, halte ich das auch beim Turm für richtig und habe auch den Eintrag bei OSM entsprechend korrigiert. Die Schreibweise mit einfachem n bleibt freilich dennoch bei den mit »Hanibank« und »Hanicity« beschrifteten Gipfelaufbauten und im Routennamen »Hanimoon« erhalten.
Wir seilen in drei Etappen ab: Zuerst zum vierten Stand, dann zum zweiten, von dort zum Einstieg. Für das zweite und besonders das dritte Manöver sind 60 m-Seile unerlässlich. Mit Seildehnung geht es sich gerade so aus.
Am nächsten Tag wandern wir zum zweiten Mal hinauf zum Hannibalturm. Nach einigem Führerstudium sind wir zu der Einsicht gelangt, dass uns für eine Tour an den umliegenden Gipfeln die notwendige Lust auf Abenteuer fehlt. Zunächst peilen wir die »Kassensturz« an, die aber bereits belegt ist. Wir steigen daher in eine Tour weiter links ein, die wir für den »Elefantenrüssel« halten, nachträglich aber als die »Magic Stone« identifizieren.
1. SL, 6a, Bruno: Schöne Plattenlänge.
2. SL, 6b+, Daniel: Kleingriffige Platte am Anfang und dann steiler Aufschwung.
3. SL, 6b+ A0, Bruno: Einige Meter schräg nach links lassen sich noch gut klettern, dann sind ein paar beherzte Griffe an die Schlingen erforderlich. Anschliessend noch ganz nette Kletterei.
4. SL + 5. SL, 6a + 7a/A0, Daniel: Leicht geht es bis unter ein Dach, für den Ausstieg in die darüberliegende Platte brauche ich wieder Hakenhilfe. Der Stand liegt 2 m unterhalb des Verkehrsknotens mit den drei Ständen von »Conquest of Paradise« und Nachbarrouten.
5. SL, 6a+, Bruno: Kurz noch über unsere Route, dann über die »Conquest of Paradise« zum vierten Stand der »FamGni«, den Bruno wegen des Abseilkomforts unbedingt erreichen will. Von dort seilen wir wie am Vortag in zwei Manövern ab.
Eigentlich haben wir geplant, nun noch eine andere Tour zu klettern. Das Wetter sieht allerdings plötzlich etwas unzuverlässig aus und Bruno verweist auf seine unangenehmen Erfahrungen mit Gewittern im Gebirge. Nach einigem Hin und Her einigen wir uns darauf, wenigstens noch die erste Seillänge der »Hanimoon« zu klettern.
1. SL, VI+, Daniel: Plattige Seillänge, in der etwas Vertrauen in das eigene Tun hilfreich ist.
Anschließend steigen wir ab zum Auto und genießen den freien Nachmittag. Das Gewitter kommt natürlich erst spätnachts, vereitelt damit aber unsere Pläne, auch am dritten Tag nochmal am Hannibalturm zu klettern. Stattdessen machen wir uns auf den Heimweg und klettern unterwegs noch in glühender Hitze im Klettergarten Haldenstein bei Chur. Die dortigen Plattenrouten nagen stark an unseren Egos, doch die links gelegene Mehrseillänge »Halbi Zehni« bzw. »Gross Verschniedig« ist gigantisch gut. Wir klettern die ersten drei Seillängen (6a, 6a+, 6a+), dann zwingen uns die schmerzenden Füße zum Abbruch.