Arnspitzenüberschreitung
Nina und Ava sind heute nach Rügen abgereist. Daher bin ich nun eine Woche Strohwitwer bei insgesamt eher günstiger Wettervorhersage, was ich bergsportlich nutzen möchte. Für mehrtägige Unternehmungen haben sich leider keine Partner gefunden. Lediglich Benjamin hat sich zu einem dreitägigen Ausflug in die Berchtesgadener Alpen bereiterklärt, zu dem wir morgen starten werden. Heute muss ich mich daher alleine vergnügen. Ich habe dazu die Arnspitzenüberschreitung ausgewählt, die ich mit nicht ganz hoher Priorität schon länger auf meiner gedanklichen Liste stehen habe. Als Referenz dient mir die Beschreibung im Buch »Münchner Bergtouren« von Thomas Otto, die sich allerdings nicht bewährt.
Der Anstieg von Gießenbach zur Großen Arnspitze ist lang und etwas nervig. Sehr weit folgt man einer Forststraße nach Westen, um dann fast die gesamte Strecke ansteigend an den Südhängen der Arnspitzen zurückzuqueren. Insgesamt legt man die Länge der Arnspitzgruppe bei der Überschreitung damit viermal zurück. Äußerst zäh läuft es bei mir auf diesem ersten Pflichtteil, bis ich endlich den ersten Gipfel erreiche. Wie schon bei meinem letzten Besuch, lasse ich den vorgelagerten Kreuzgipfel links liegen und begnüge mich mit der Grenzmarkierung. Stattdessen starte ich zum eigentlichen Tagesziel, der Überschreitung bis zur Arnplattenspitze.
Der erste Teil des Übergangs zur Mittleren Arnspitze ist leicht und schön. Auch das »bösartig aussehende Band« ist zwar ausgesetzt aber gutgriffig. Am oberen Ende des nachfolgenden Schuttkessels werde ich allerdings durch ungeschickte Wegwahl zu einer unangenehmen Querung gezwungen, die mich etwas aus dem inneren Gleichgewicht bringt. Im Folgenden fühle ich mich ein bisschen unsicher, erreiche aber den Gipfel der Mittleren Arnspitze kurz später ohne weitere Probleme.
Als ich mich nach einer Pause an den Abstieg machen möchte, passiert mir etwas bislang noch nicht Erlebtes: Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo ich heraufgekommen bin. Trotz Suche finde ich die Stelle nicht mehr. Leicht sieht es nirgends aus. Erschwerend kommt hinzu, dass mir aus der Beschreibung nicht klar wird, in welche Richtung ich mich orientieren und welchen Sattel ich anvisieren muss. Das Gelände ist von oben nicht gut einsehbar. So beginne ich an einer geeignet erscheinenden Stelle eine Abkletterei, die bald ziemlich unangenehm wird und mich in erhebliche Bedrängnis bringt. Letztlich klettere ich vom Gipfel mehr oder weniger direkt bis zur Scharte vor dem in Richtung Arnplattenspitze vorgelagerten Latschenbuckel ab. Vielleicht ist meine Psyche heute durch den morgendlichen Abschied von Frau und Kind geschwächt, vielleicht ist die gewählte Route wirklich so schwer und exponiert. Mir erscheint diese halbe Stunde als eine der heikelsten meiner gesamten Bergkarriere.
Dann habe ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Der Abstieg vom Latschenbuckel ist nicht schwierig. Trotzdem ist es noch nicht ganz geschafft. Auf dem weiteren Übergang zur Arnplattenspitze gerate ich in ein furchtbares Latschendickicht, obwohl der weiter rechts verlaufende Durchschlupf von oben eigentlich klar zu erkennen war. Vorübergehend verliere ich jede Lust am Bergsteigen. Dann ist der finale Aufschwung endlich erreicht. Die von gegenüber einschüchternd wirkende Platte der Arnplattenspitze erweist sich als harmlos.
Der folgende Abstieg von der Arnplattenspitze verläuft zunächst noch ein Stück auf der Kammlinie und wendet sich dann nach links steil hinab zum Jagdhaus. Ich überhole eine Frau, die sich den Fuß verstaucht hat und nur mehr sehr langsam vorankommt. Sie und ihr Begleiter beauftragen mich, ein am Jagdhaus eventuell anzutreffendes Fahrzeug zu bitten, auf sie zu warten. Andere Unterstützung wollen sie nicht. An der Jagdhütte ist dann allerdings kein Mensch zu sehen.
Auf der Heimfahrt lege ich einen Badestopp am Grubsee ein.
Parkplatz Gießenbach - 1250 m - 09:05 Uhr
Große Arnspitze - 2196 m - 11:41 Uhr
Mittlere Arnspitze - 2091 m - 13:09 Uhr
Arnplattenspitze - 2171 m | 09.08.2018 | 14:40 Uhr
Parkplatz Gießenbach - 1250 m - 16:32 Uhr
Insgesamt etwa 1500 Höhenmeter.