Karwendelkönigin
Lange schon habe ich diese Tour auf dem Zettel. Letztes Jahr habe ich mich alleine nicht getraut. Ich wollte sie dann mit Timm angehen, wofür sich aber kein Termin fand. Dieses Jahr habe ich sie eigentlich mit Tom ins Auge gefasst, doch auch das klappt nicht, bevor er auf lange Asienreise geht. So wollen Benjamin und ich sie nun unternehmen. Dann aber streiten wir. So mache ich mich schließlich alleine auf den Weg und es fühlt sich gut und richtig an.
Am letztjährigen Biwakplatz liegt ein dicker Baum quer auf meinem Schlafplatz. Der labil wirkende Stand dieses Baums ist mir damals aufgefallen, ich habe aber darauf vertraut, dass er nach Jahrzehnten nicht ausgerechnet in dieser Nacht umstürzen wird. In einer der nachfolgenden Nächte ist es nun aber offensichtlich doch geschehen.
Die Stelle, an der der Weg zum Heissenkopf abzweigt, kenne ich von meinen früheren Ausflügen ins Moserkar. Tatsächlich ist der Weg sogar markiert. Das hindert mich allerdings nicht daran, eine Linkskehre des Wegs zu übersehen und stattdessen geradeaus dem schottrigen Graben zu folgen. Das geht anfangs gut, später schlechter und schließlich so schlecht, dass ich hoffe, diese steilen Schrofen nicht wieder absteigen zu müssen. An einem felsigen Aufschwung bezwinge ich eine kurze Kletterstelle von etwa IV-. Als ich schließlich den von links kreuzenden Weg erreiche, bin ich recht froh. In den Latschen herrscht brutale Hitze.
Noch vor Erreichen des Rückens hole ich zu meiner Überraschung zwei Vorausgehende ein. Mit anderen Menschen habe ich hier nicht gerechnet. Wie so oft überlagern sich die Enttäuschung und eine gewisse Erleichterung darüber. Der Zuwachs an Gesellschaft ist allerdings marginal, denn bei einem der Innsbrucker Burschen läuft es nicht recht und sie lassen sich weit zurückfallen. Ich sehe sie erst am Gipfel wieder. Kurz hinter den Sägezähnen kommt mir noch ein weiterer Mann entgegen. Der war aber offenbar noch gar nicht oben, denn später folgt er den beiden Österreichern zum Gipfel.
Der Weg über den Rücken ist bis zu den Sägezähnen harmlos, lediglich einen größeren Abbruch kurz nach dem Großen Heissenkopf klettere ich direkt ab. Ab den Sägezähnen verschärft sich der Grat und es darf öfter einmal geklettert werden. Vor dem letzten Aufschwung lasse ich mich durch Steinmänner recht weit in die rechte, östliche Flanke locken. Dadurch verpasse ich das von Fotos bekannte Band, das sich westseitig etwa 15 Meter unter der Gratkante an der steilen Wand entlang schlängelt. Ich erklimme versehentlich zuerst einen östlichen Vorgipfel, an dem es plötzlich nicht mehr weitergeht. Nachdem ich ein paar Meter zurückgeklettert bin, kann ich die Gipfelflanke in einer Westquerung einnehmen.
Das Gipfelbuch ist von 1982. Die Aussicht ist erbaulich und umfassend.
Den Abstieg möchte ich über das Östliche Birkkar machen. Da der obere Teil dieses Abstiegs auf Fotos steil und wild aussah und ich mir auch Sorgen wegen der Wegfindung mache, bin ich froh, als ich höre, dass die mittlerweile eingetroffenen Innsbrucker das gleiche planen. Sie haben nichts dagegen, dass ich mich ihnen für diesen Teil anschließe. Der vierte Mann schaut etwas blöd, da er seine Stöcke an den Sägezähnen deponiert hat und nun alleine zurückgehen muss.
Der Einstieg zum Abstieg liegt in der ersten Senke unterhalb des Gipfels und ist, auch dank eines Steinmanns, leicht zu finden. Der Abstieg bis zum Punkt 2552 m ist für Karwendelverhältnisse geradezu gemütlich. Danach folgen noch ein paar leichte Kraxeleien am Grat, auf dessen Nordseite es ordentlich hinabgeht, bis das geröllige Kar erreicht ist.
Nach dem Zusammentreffen des Östlichen und des Westlichen Birkkars erreichen wir den markierten Weg zum Schlauchkarsattel und ich trenne mich von den Tiroler Burschen. Ich will über den in der Karte eingezeichneten Steig an der Heissenkopfseite ins Moserkar zurückkehren. Der Steig ist allerdings nicht zu entdecken. Ich steige mehrmals auf und ab und inspiziere diverse Latschengassen, finde aber keine Begehungsspuren. Erst viel weiter südlich in der Flanke lässt sich ein möglicher Wegverlauf erahnen. So setze ich schließlich zu einer weglosen Querung im steilen Schrofengelände an. Nach einer ersten unangenehmen Stelle aber erlahmen mein Ehrgeiz und Wagemut. Ich will das Schicksal nach den bereits überwundenen Schwierigkeiten nicht unnötig herausfordern.
Also laufe ich den markierten Weg ins Hinterautal hinaus und folge dann der Forststraße bis zum Kasten. Ab dort laufe ich im Bett des Moserkarbachs bis zum Raddepot und hänge dabei wieder meiner Vorstellung von Alaska nach. Schließlich ist das Rad erreicht und damit auch schnell das Auto. Anschließend fahre ich noch am Grubsee vorbei, wo die Sonne allerdings bald hinter den Bergen verschwindet.
Parkplatz Scharnitz - 970 m - 08:17 Uhr
Biwakplatz - 1300 m - 09:27 Uhr
Großer Heissenkopf - 2437 m - 11:45 Uhr
Sägezähne - 2660 m - 12:30 Uhr
Kaltwasserkarspitze - 2733 m - 13:25 Uhr
Parkplatz Scharnitz - 970 m - 18:08 Uhr
Insgesamt etwa 2050 Höhenmeter und 50 Kilometer. Die Uhr an der Kamera geht etwa eine Dreiviertelstunde nach.